Track-Check: Matthias Meyer – November Rain (Watergate)

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Der Berliner DJ und Producer eröffnete 2005 seinen Release-Reigen mit einer Split-Single auf liebe*detail. Er ist Resident im Berliner Watergate Club, auf dessen Label er auch mittlerweile veröffentlicht – u. a. die Mix-CD „Watergate 20“ und die „Becuz EP“, auf der sich „November Rain“ befindet, womit er 2014 an die Spitze unserer FAZE FORTY des Jahres stürmte.

 

Matthias, entstand dein Track an einem kalten, verregneten Novembertag, wie der Titel es vermuten lässt? Oder ist er für einen Novembertag gedacht? Welche Stimmung hat dich zu dem Track inspiriert?

Ja den Track habe ich vor langer Zeit – sogar ein bis zwei Jahre bereits vor dem Releasetag – an einem kalten, regnerischen Tag im November angefangen. Zu der Zeit habe ich sogar noch in Lüneburg in einer WG mit Blick auf einen Park gewohnt. Muss also um 2011 bis 2012 gewesen sein. Unter den Umständen war meine Stimmung sehr melancholisch, denn zu der Zeit haben schon viele Freunde Lüneburg Richtung Hamburg und darüber hinaus verlassen. Lüneburg ist eine Studentenstadt und irgendwann ist man ja durch mit dem Thema.

Mit welchem Element hast du deine Session begonnen und in welcher Reihenfolge hast du die restlichen Spuren addiert?

Ich fange Tracks immer unterschiedlich an. Diesen habe ich von ‚unten’ angefangen. Erst Drums, dann die Bass-Parts und das Pad. Anschließend habe ich den Track bestimmt ein, zwei Jahre liegen gelassen weil ich einfach nicht das i-Tüpfelchen gefunden habe. Bis die iPad-Apps kamen.

Beschreib uns bitte den Workflow in deinem Studio zu dieser Zeit:

Zu der Zeit, wie auch heute, habe ich keinen bestimmten Workflow. Die besten Ideen und Tracks passieren, wenn man ein Sample, bzw. eine bestimmte prägende Figur findet und den Rest dann drumherum baut. Wenn ich nur mit Beats anfange, dauert es in der Regel sehr lange, weil ich dann nie das Ende finde, bzw. die letzte Melodie, den letzten Effekt oder Sound. Meistens spiele ich so lange rum, bis ich irgendein Element habe, was mich catcht, dann lösche ich den Rest und baue alles darauf auf.

Schon während des ersten Hörens fällt mir dein sehr dichtes, atmosphärisches Arrangement auf. Wie viele Schichten sind hier gelayert und wie hast den sehr räumlichen Sound der verschiedenen Synthesizer erzeugt?

Ehrlich gesagt sind dort nicht so viele Elemente drin oder gelayert. Es läuft ein rhythmischer Bass und drunter läuft ein langezogener sub-artiger Juno-Sound. Darauf ist ein Padsound gelayert – Arturia Lab, soweit ich mich erinnern kann –, der nur außen läuft. Die Hauptmelodie spielt nur in der Mitte. Dadurch wirkt das ganze sehr räumlich aber eigentlich ist nur auf der Hauptmelo ein Reverb. 

Im Gegensatz klingt dein Groove äußerst organisch. Aus welchen Quellen stammen deine Drums und wie hast du den Groove programmiert?

Meine Drums kommen aus Librarys, Native Maschine, aber zum allergrößten Teil sample ich mich selber. Das wiederum bearbeite ich stark mit Volume-Shapern oder mit Slice die Loops in Ableton. Generell verbringe ich aber die meiste Zeit an den Drums, weil mir der Groove am allerwichtigsten an einem Track ist. Was ich bei „November Rain“ im Speziellen gemacht habe, kann ich leider nicht mehr sagen, weil das schon einige Jahre her ist. 

Mit welchem Tool hast du die prägnante Bassline kreiert?

Es war die Zeit, als grade Producing-Apps für das iPad auf dem Markt kamen. Bei „November Rain“ habe ich sehr viel mit Apps gemacht – auch bei „Uluwatu“ ein bisschen später. Leider habe ich danach nie wieder wirklich das iPad zum Musik machen benutzt. Ohne die Apps würde es den Track so nicht geben. Der Track hat zwei, drei Basssounds. Dieser knarzige, kurze Sound kam von der Moog-App und wurde dann später auch durch einen analogen Preamp geschickt und mit einige VSTs wie die Soundtoys-Sachen bearbeitet. Dieser lange Bassound ist von Trillian, einem Juno 60 Sound und einfach einer meiner Lieblingssounds.

Im Mittelpunkt des Tracks steht natürlich der stark modulierten Synthesizer-Sound, der sehr eingespielt klingt. Ist das richtig vermutet?

Wie kann es anders sein bei dem Track – ja, das ist eine iPad-App. Animoog von Moog. Dort kann man ein Scale einstellen und dann werden alle anderen Tasten ausgeblendet. So konnte man einfach glide-mäßig mit dem Finger rüberwischen und es war immer in Key. Auf den Moment hab ich bestimmt ein, zwei Jahre gewartet, um den Track endlich abzuschließen. Der Sound wurde dann ganz rudimentär über die Kopfhörer-Out-Buchse in einer Phoenix DI Box in den Rechner aufgenommen (lacht).

Welche Studiotricks haben dich in deinem Produzenten-Werdegang bisher wirklich weitergebracht und welche wichtigen Regeln haben sich irgendwann relativiert?

Die meisten Tricks, die mich weitergebracht haben, sind Tricks die man gut gebrauchen kann, wenn man etwas lost ist und einfach nicht weiß, wo und wie man anfangen kann. Da ich, ehrlich gesagt, nicht wirklich Piano spielen kann, bin ich ständig auf der Suche nach anderen Wegen, die ich wirklich jeden anderem empfehlen kann: Man sucht sich ein Sample und baut dann z. B. einen ganzen Track drumherum und anschließend entfernt man das Sample. Oder man markiert alle Spuren und zieht alles eins hoch oder runter. So liegen alle Spuren auf falschen Effekten und so weiter an. Es kann wild klingen, aber manchmal entsteht da eine coole Melodie oder Sound von da man einen ganz neuen Track anfangen kann.
Und Regeln beachte ich gar nicht.

Was dürfen wir demnächst Release-technisch erwarten?

Vor kurzem ist erst mein Remix für Amine K – ein sehr guter Freund aus Marokko – und Sabo auf Sol Selectas erschienen. Mitte September ist dann ein „Hope“-Nachfolger von Ryan Davis und mir erschienen: „Love Letters From Sicily“ auf Watergate. Auf der Flip befinden sich außerdem ein „Hope“-Remix von John Digweed und Nick Muir. Kurz danach kommt noch ein Remix für Hot Since 82s Knee-Deep-Label.

 

 

 

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Foto: Marie Staggat