Depeche Mode – Spirit (Columbia)

2017_03_PdW_DM
Mit „Spirit“ haben Depeche Mode, die Urgesteine der meist düsteren Synthiepop-Melancholie, ihr 14. Studioalbum veröffentlicht. Die Platte folgt recht schnell auf den Vorgänger „Delta Machine“, der in über zwanzig Ländern die Top Ten erreichte, darunter in Großbritannien und in den USA. Während der anschließenden Tour strömten weltweit mehr als 2,5 Millionen Fans in die Stadien und Arenen. Den Auftakt zu der anstehenden Welttournee „Global Spirit“ machte am Releaseday ein kleines Konzert vor 1.000 Personen im Berliner Funkhaus, wo die Fans die Live-Premiere des neuen Albums feierten. Ihre Langlebigkeit verdankt die mittlerweile legendäre Band wahrscheinlich dem Umstand, dass sie sich nie selbst den Anspruch und Druck auferlegt hat, genau da zu landen, wo sie heute ist. Und so versammeln Dave Gahan, Martin Gore und Andrew Fletcher nach 35 turbulenten Jahren zwölf neue Stücke auf einer Platte. Politisch angehauchte Themen ziehen sich vor allem durch die ersten vier Songs, gespickt mit Bildern von einem Rückwärtstrend einer immer ungebildeteren, bequemen Gesellschaft zurück in die Steinzeit. So wie etwa in den Songs „Going Backwards“ und „Worst Crime“. Wie eine Reaktion auf diese Perspektive kommt der Song „Where’s the Revolution“ daher, in dem Gahans wie eh und je flehender Gesang eindringlich dazu auffordert, die Stimme gegen Missstände zu erheben, begleitet von der fast resignativen Frage, wo die Revolution denn bleibe, warum ihn die Leute hängen ließen. Die aktuellen Entwicklungen der Weltpolitik, Trump, Brexit & Co. haben scheinbar ihren Eindruck und das Bedürfnis zur Stellungnahme bei den Briten hinterlassen. Aber auch die guten alten (zwischen-)menschlichen Verwirrungen, (Selbst-)Zweifel, Leiden und Legenden der Schwermut erzählen die Altmeister auf „Spirit“ in unverwechselbarer Depeche-Mode-Weise. Dazu trägt auch die Handschrift von Produzent James Ford (Simian Mobile Disco) im Sound bei, der diesen auf seine Weise drängend und rumpelnd interpretiert, ohne dabei das Depeche-Mode-Profil zu verändern. Verzerrend verdichtet er das Gefühl der Stücke, rauer und mutiger als Ben Hillier bei den letzten drei Longplayern. Die Band kann das Rad sicher nicht neu erfinden, mit „Spirit“ machen Depeche Mode aber den Schritt in die Richtung, sich selbst zu evolutionieren. Mal sehen, ob sie sich selbst auch revolutionieren. 9/10 CS